Kann Stress uns wirklich krank machen? Auch körperlich? Welche Auswirkungen hat Stress auf unseren Hormonhaushalt und unseren gesamten Körper? Welche Rolle spielt Cortisol dabei? Und was genau ist das? Diese Fragen stellen sich viele. Die genauen Auswirkungen von Stress und Cortisol, sowie der Zusammenhang von Stress und Beschwerden oder Krankheiten sind zwar gut erforscht, aber nur wenigen bekannt.
Sowohl die biologische, als auch die soziale, physiologische und psychologische Forschung befasst sich mit den körperlichen Auswirkungen von Stress und chronischem Stress. In diesem Artikel haben wir die Informationen einiger dieser Studien zusammengefasst und alle wichtigen Fragen zu Stressauswirkungen gesammelt und beantwortet.
Das Wichtigste in Kürze
- Cortisol ist ein sogenanntes Stresshormon. Es wird in der Nebenniere hergestellt und kann einen starken Effekt auf beinah alle Organe und das zentrale Nervensystem unseres Körpers haben.
- Anhaltender Stress ohne Ruhephasen, erhöht dauerhaft den Cortisolspiegel. Dies kann zu verschiedenen Beschwerden und einigen ernsten Krankheiten führen.
- Ein zu hoher Cortisolwert kann durch Methoden der Stressprävention und -bewältigung gesenkt werden. Weiterhin kann eine gesunde Ernährung ohne Kaffee und Zucker helfen, sowie einige Nahrungsergänzungsmittel.
Auswirkungen von Stress und Cortisol: Was du wissen solltest
Stress ist die körperliche und geistige Belastung durch besondere Anforderungen ohne Ruhepausen. Durch das Jonglieren von Beruf, Familie, Freundschaften und insgesamt zu vollen Terminkalendern leiden viele Deutsche darunter. Häufig wird gesagt, Stress würde krank machen. Im Folgenden erklären wir, welche Auswirkungen Stress wirklich auf unseren Körper hat.
Was ist Cortisol?
Cortisol oder auch Kortisol ist ein Hormon. (1) Gemeinsam mit Adrenalin und Noradrenalin, zählt es zu den sogenannten "Stresshormonen". (1,3) Cortisol ist genau gesagt ein Steroidhormon und wird in der Nebennierenrinde gebildet. Damit gehört es zur Gruppe der Glucocorticoide und ist unter anderem Teil des Glucose-Stoffwechsels. (2)
Wie wirkt Cortisol in deinem Körper?
Da Cortisol in der Nebennierenrinde gebildet wird, ist es ein Produkt der sogenannten HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse). Der Begriff HPA-Achse beschreibt einen komplexen Regelkreis zwischen dem Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns), der Hypophyse (ein Organ des Zentralnervensystems) und der Nebenniere. Dieser Regelkreis beeinflusst unterschiedliche Körperreaktionen und -funktionen, unter anderem die Stressreaktion. (1)
Das Hormon Cortisol beeinflusst nahezu alle Organe und das zentrale Nervensystem.
Cortisol kann aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung unsere Körperzellen durchdringen. Damit ist jede kernhaltige Zelle eine potentielle Zielzelle und Cortisol kann nachhaltige Effekte auf nahezu alle Organe und das zentrale Nervensystem ausüben. So unterliegen auch die Aufmerksamkeit teilweise der Kontrolle des Hormons. (1)
Cortisol beeinflusst zusätzlich den Hippocampus. Dieser Teil des Gehirns ist die Schaltstelle zwischen dem Kurz- und Langzeitgedächtnis und ist der zentrale Teil des limbischen Systems. Letzteres bedeutet, dass hier emotionale Äußerungen wie Wut, Angst und Freude sowie das Sexualverhalten und viele weitere Funktionen gesteuert werden. (1,16,20)
Was ist ein normaler Cortisolwert?
Wie der gesamte Hormonspiegel, steigt und sinkt auch der Cortisolspiegel durch verschiedene Aktivitäten oder Situationen. Er kann von einer Ärztin oder einem Arzt im Blut, Urin oder Speichel gemessen werden. Dies geschieht zum Beispiel bei der Diagnostik und Kontrolle von Krankheiten. Durch die Schwankungen des Spiegels sind die Normwerte für bestimmte Zeiten gültig. Die folgende Tabelle zeigt die Normwerte von Cortisol im Blut, bei einer Blutabnahme um acht Uhr morgens.
Alter | Cortisol-Normwerte im Blut (in Nanomol pro Liter) |
---|---|
bis zu einer Woche | 17 - 550 |
zwei Wochen bis ein Jahr | 66 - 630 |
ein bis 15 Jahre | 69 - 630 |
16 bis 18 Jahre | 66 - 800 |
ab 19 Jahre | 119 - 618 |
(49)
Morgens ist der Cortisolspiegel im Blut am höchsten und sinkt im Tagesverlauf. Bei einer späten Blutabnahme um elf Uhr am Abend liegt der Referenzwert des Spiegels bei allen Altersgruppen unter 138 Nanomol pro Liter. Auch bei anderen Testmethoden sind die Referenzwerte an feste Zeiten gekoppelt.
Der Cortisolspiegel kann im Blut gemessen werden. Dafür muss die Blutabnahme zu einer bestimmten Zeit erfolgen. (Bildquelle: Daniel Sone / Unsplash)
Sowohl ein zu hoher, als auch ein zu niedriger Cortisolspiegel können teils ernste Beschwerden und Krankheiten nach sich ziehen. Dies geschieht allerdings nur, wenn der Cortisolanteil im Blut über eine längere Zeitspanne von den Normwerten abweicht.
Welche Auswirkungen hat Stress auf den Cortisolspiegel?
Durch verschiedene Aktivitäten und/oder Situationen steigt und sinkt der Cortisolspiegel. Unvorhersehbare, mehrdeutige und unkontrollierbare - also von Menschen als stressig wahrgenommene - Situationen aktivieren zum Beispiel die HPA-Achse und erhöhen die Ausschüttung von Cortisol. (1)
Welche Situationen als stressig wahrgenommen wird, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch.
Durch die Cortisolausschüttung wird Energie bereitgestellt. Dies geschieht indem Glucose ausgeschüttet wird und aktuell unwichtige physiologische Systeme, wie zum Beispiel das Immunsystem, unterdrückt werden. Der Körper passt sich an die potentielle Gefahrensituation an und unterstützt eine mögliche Kampf-/Fluchtreaktion. Der Körper ist im Stress. (1) Diese Wirkung von Cortisol ist gut und gewollt, sie kann auch heute noch lebenswichtig sein.
Ist der Körper dauerhaftem Stress ausgesetzt und bekommt durch volle Terminkalender keine Ruhepausen, sinkt der Cortisolspiegel nicht. (Bildquelle: Jeshoots / Unsplash)
Dauerstress oder chronischer Stress ohne ausreichende Entspannung überlastet allerdings den Körper. Er führt zu einem dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel. Dieser kann zu Krankheiten wie Depression, Tinnitus, Bluthochdruck und vielen weiteren führen, welche ebenfalls einen chronischen Verlauf annehmen können. Auch Stress durch traumatische Erlebnisse oder Stress durch sozio-ökonomische Umstände kann diese Folgen haben. (8,9,10,11,18,21)
Was sind die Anzeichen für einen erhöhten Cortisolwert durch Stress?
Es gibt verschiedene Anzeichen für einen erhöhten Cortisolwert durch Stress. Solltest du mehrere der hier aufgelisteten Symptome erleben, könnte chronischer Dauerstress und ein dadurch erhöhter Cortisolwert dafür verantwortlich sein.
- Übergewicht, Bauchfett: Da sich zu viel Cortisol negativ auf den Stoffwechsel auswirkt, kommt es zu Einlagerung von ungesundem Bauchfett. So kann es durch ein hohes Stressniveau zu einer Zunahme des Bauchumfangs kommen, trotz Bewegung und gesunder Ernährung. (50)
- Häufige Infekte und langsame Wundheilung: Cortisol schwächt das Immunsystem. Geschieht dies auf Dauer, wirst du häufig krank und auch kleine Wunden heilen langsamer als gewohnt. (23)
- Erschöpfung und häufige Müdigkeit: Durch den Einfluss von Cortisol auf den Hormonhaushalt kann der Schlafrythmus gestört werden. Da Cortisol außerdem einen Einfluss auf den Energiestoffwechsel hat, kann ein Überschuss an Cortisol zu starker Erschöpfung führen. (25)
- Konzentrationsschwierigkeiten: Cortisol beeinträchtigt das Gedächtnis und kann kann so eine geistige Trübung (brain fog) hervorrufen. In diesem Fall ist die Konzentration gestört und einfachste mentale Aufgaben können nur mit Schwierigkeiten bewältigt werden. (51)
Einige der hier aufgelisteten Anzeichen können auch aus einem anderen Grund auftreten. So kann häufige Erschöpfung auch eine Erscheinung von Eisenmangel sein. Kommen dir mehrere Symptome bekannt vor, kannst du mit deiner Ärztin oder Arzt die Möglichkeit eines Bluttests besprechen.
Welche Auswirkungen kann ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel durch Stress haben?
Bleibt der Cortisolspiegel durch Dauerstress hoch, kann dies zu ernsten Krankheiten führen, welche anhaltende Beeinträchtigungen mit sich bringen. Einige der am häufigsten in Verbindung mit Cortisol gebrachten Krankheiten haben wir hier aufgelistet:
- Gedächtnisstörungen: Durch die Hemmung von Informationsverarbeitung im Hippocampus durch Cortisol, kommt es zu einer Verschlechterung der Gedächtnisprozesse. (1) Mehrere Studien haben bewiesen, dass ein hoher Cortisolspiegel die Erinnerung beeinträchtigt. (4,5,6,12,16)
- Wachstumstörungen und Osteoporosis: Da Cortisol das Knochenwachstum hemmt, kann es zu Wachstumsstörungen kommen. (7) Weiterhin wird der Zusammenhang von einem erhöhten Cortisolspiegel und Osteoporosis in mehreren Studien untersucht. (22)
- Depression: Die Aktivierung von Cortisol führt zu einer Behinderung der Übertragung des "Glückshormons" Serotonin. Daher kann ein erhöhter Spiegel des Stresshormons die Entwicklung von Depressionen fördern. (13,17,18,19,20,21)
- Tinnitus: Klinische Beobachtungen legen nahe, dass Tinnitus von Stress und Cortisol beeinflusst wird. (14,15)
- Schwächung des Immunsystems: Cortisol gilt als das stärkste Immunsuppressivum, das unser Körper selbst produziert. Wird dies dauerhaft ausgeschüttet, wird das gesamte Immunsystem geschwächt. (1,23)
- Schlafstörungen: Normalerweise nimmt der Cortisolspiegel im Laufe des Tages stetig ab und der am Abend niedrige Cortisolspiegel erleichtert das Ein- und Durchschlafen. Ist der Cortisolspiegel durch Stress erhöht, kommt es zu Schlafstörungen, Schwierigkeiten beim Einschlafen und Aufwachen. (24,25)
- Diabetes: Durch Stress kann Diabetes aufgrund Insulin-Resistenz entstehen, da die Insulin-Rezeptoren durch die von Cortisol bereitgestellte Glucose desensibilisiert werden können. (22)
- Cushing-Syndrom: Die seltene aber ernste Krankheit entsteht durch eine chronisch-übermäßige Konzentration von Cortisol und hat unter anderem Änderungen der Körperform zur Folge wie Übergewicht, Doppelkinn, gerötetes pausbackiges Gesicht, "Stiernacken", dünne Haut und schlankwirkende Extremitäten. (26,27)
Da Cortisol einen Effekt auf fast alle Organe hat, betreffen auch die möglichen Folgen eines hohen Cortisolspiegels unterschiedlichste Teile des Körpers. Ist die Ursache dieser Beschwerden und Krankheiten Dauerstress und ein erhöhter Cortisolspiegel, können einige von ihnen und die sie begleitenden Symptome durch die Senkung des Spiegels behandelt werden.
Gezielte Entspannung ist das beste Mittel zur Stressbewältigung. Diese kann unter anderem durch Meditation erreicht werden. (Bildquelle: Rodolfo Sanches Carvalho / Unsplash)
Im nächsten Abschnitt haben wir die erfolgreichsten Methoden zur Stressbekämpfung und -vermeidung zusammengestellt. Mit diesen kannst du Stress verringern und die Auswirkungen eines hohen Cortisolspiegels vermindern.
Wie können die Auswirkungen von Stress auf den Cortisolspiegel verringert werden?
Um die Auswirkungen von Stress auf den Cortisolspiegel zu verringern, sollte zunächst der Stress an sich verringert werden. Stressbewältigung und -prävention kann sehr unterschiedlich aussehen, jeder Mensch benötigt allerdings Auszeiten und Ruhephasen. Weiterhin gibt es einige Tipps und Tricks um einen hohen Cortisolspiegel zu senken. Diese und bewährte Methoden gegen Stress haben wir im folgenden zusammengefasst:
- Meditation: Gezielte Ruhephasen wie während einer Meditation helfen bei der Stressbewältigung und senken so den Cortisolspiegel. Diese muss nicht stundenlang dauern und auch nicht im Schneidersitz erfolgen. Bereits 15 Minuten liegende Meditation pro Tag können helfen. (32)
- Entspannung: Neben Meditation helfen alle Formen der gezielten Entspannung gegen Stress. Besonders hervorzuheben sind das Tiefe Atmen (deep breathing), (35) Massagen (34) und Yoga. (33)
- Musik: Gern gehörte oder explizit entspannende Musik kann ebenfalls zur Stressreduktion und damit zu Senkung des Cortisolspiegels beitragen. Dies gilt allerdings nur, wenn du dich auf das Hören der Musik konzentrierst und nicht noch nebenbei etwas anderes erledigst. (36,37)
- Gedankenketten unterbrechen: Wenn wir stressige Erlebnisse oder Situationen in Gedanken wiederholt erleben, steigt der Cortisolspiegel. Dies gilt besonders für Schuld-, Scham-, und Unzulänglichkeitsgefühle. Abhilfe schafft das Erkennen und Beenden der Gedankenkette, sowie Toleranz und Vergebung sich und anderen gegenüber. (32,38)
- Positive Gedanken: Freude und Spaß können den Cortisolwert nachweislich senken. Plane gezielt Aktivitäten, die dir Spaß machen wie ein Zoobesuch oder eine Runde Bowling mit Freunden. Eine generelle positive Einstellung und Lachen im Besonderen helfen zusätzlich bei der Stressprävention und -bewältigung. (39,40)
- Hobbies: Regelmäßige Freude durch geliebte Aktivitäten können die Auswirkungen von Stress auf den Cortisolpiegel verringern. Schaffe dir also ein Hobby an oder achte darauf deines beizubehalten. Besonders hilfreich scheint das Gärtnern beziehungsweise das Kümmern um Pflanzen zu sein. (41,42)
- Ernährung: Um den Cortisolspiegel zu senken solltest du Kaffee und Zucker meiden. Hilfreich sind stilles Wasser, dunkle Schokolade, frisches Obst, eine Tasse grüner Tee und probiotische Lebensmittel. (28,29)
- Schlafhygiene: Achte auf geregelte Wach- und Schlafphasen, vermeide Bildschirme vor dem Einschlafen und schalte dein Handy über Nacht aus oder in den Flugmodus. (30,31,45)
- Nahrungsergänzungsmittel: Von Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Fisch- und Leinöl enthalten sind, wird angenommen, dass sie Cortisol reduzieren. (43) Gleiches gilt für Ashwagandha auch bekannt als indischer Gingko, Winterkirsche oder Schlafbeere. (44)
- Bewegung und Sport: Durch sportliche Betätigung steigt das Cortisollevel kurz an und geht am Abend runter. So hilft Sport beim Einschlafen und senkt dauerhaft den Cortisolspiegel. Paradoxerweise steigt das Cortisollevel bei leichten sportlichen Aktivitäten wie Yoga oder Spaziergängen nicht, sinkt aber dennoch am Abend. (33,45,46,47,48)
All diese Methoden helfen dir dabei, weniger gestresst zu sein und ermöglichen deinem Körper und Geist eine Ruhepause. So sinkt der Cortisolspiegel, du fühlst dich fitter und entspannter. Um dem Kreislauf von Stress, körperlichen Folgen von Stress und daraus entstehendem neuen Stress zu entkommen, solltest du dir pro Tag mindestens 15 Minuten nehmen um dich aktiv zu entspannen.
Fazit
Stress hat besondere Auswirkungen auf unseren Körper. Um diesen an die Stresssituation anzupassen wird das Hormon Cortisol ausgeschüttet. Geschieht dies durch anhaltenden Dauerstress steigt der Cortisolspiegel zu hoch, was ernsthafte Folgen haben kann. Die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen zu Cortisol bestätigen, dass dieses Hormon wie kaum ein anderer Botenstoff als Bindeglied zwischen Psyche und Soma, zwischen Geist und Körper fungiert.
Zum Glück gibt es viele erprobte und erforschte Methoden und Taktiken um Stress zu vermeiden oder zu bewältigen. Ein kurzzeitig erhöhter Cortisolspiegel ist gut und gewollt, allerdings benötigt der Körper Ruhepausen, damit der Cortisolspiegel sinken kann. Diese Ruhepausen können durch gezielte Entspannung gemacht werden. Zusätzlich kann die Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel zu einer Senkung von Cortisol beitragen.
Einzelnachweise(52)
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